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Channel: Freiheit – Die Nacht ist vorgedrungen
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Joch des Liberalismus

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Man soll ja versuchen, andere zu verstehen, die Dinge aus ihrer Sicht zu sehen. Wenn ich nicht verstehe, was jemanden bedrückt, dann kann ich auch nicht verstehen, warum er dagegen aufbegehrt. Die Vertreter des Establishments, diejenigen, die ein System prägen, sind auch diejenigen, die die Nachteile am Wenigsten zu spüren bekommen.

So soll die französische Königin Marie Antoinette, als die Bürger von Paris vor Hunger auf die Straßen gingen, gemeint haben:

Wenn sie kein Brot haben, so sollen sie Torte essen.

Zynisch, nicht wahr? Oder naiv? Oder schlicht dumm? Wie dem auch sei, sie hatte offenbar kein Verständnis für die Not der Menschen und am Ende kostete diese Haltung sie das Leben. Sie wurde geköpft.

Wohlgemerkt: Sie wurde nicht geköpft, weil sie persönlich diese Haltung hatte, sondern weil eine bestimmte Gruppe von Menschen, die die Macht hatten, diese Haltung hatten und sich nicht dazu herablassen wollten, den „Pöbel“ zu verstehen.

„Pöbel“ kommt ja von frz. „peuble“: Volk. Der Pöbel, das ist das einfach Volk. Und wenn das einfache Volk Sorgen und Nöte hat, und die Elite, die Mächtigen, diese Sorgen und Nöte nicht kennen oder nicht verstehen oder nicht verstehen wollen, und deshalb nichts tun, um sie zu lindern, dann explodiert das Ganze irgendwann. Meistens gewaltsam.

Genug der theoretischen Vorrede, hin zur praktischen Anwendung:

In vielen westlichen Nationen feiert der Populismus gerade riesige Erfolge. Dummdreiste Parolen werden in Massen in den Sozialen Netzwerken verbreitet, man wähnt sich in die 1930er zurückversetzt.

Ich meine, daß hinter diesem Erfolg der rechtspopulistischen Parteien die Sorgen und Nöte von Menschen stecken, die von den Mächtigen nicht gehört und auch gar nicht verstanden werden. Ich meine, es liegt am System.

Die Freiheit, die uns die frz. Revolution erkämpft hat, hat ja nicht alles gut gemacht. Sie hat die Grundbedingungen verbessert, um sich selbst einzubringen und etwas zu verändern.

Es war nicht mehr vom König abhängig, ob man ein gutes Leben führen konnte, man war nunmehr selbst dafür verantwortlich. Man hatte die Freiheit, mitzubestimmen, was Politik ist. Gleichzeitig bekam man aber auch die Verantwortung aufgebürdet, das zu tun. Es ist nun kein König mehr Schuld, wenn die Dinge nicht so laufen, wie sie sollen, sondern eben der neue Souverän: Das Volk.

Doch hier stellt sich die gleiche Frage, wie bei den Königen vorher: Sind sie geeignet, die Verantwortung zu übernehmen?

Könige hatten oftmals in die eigene Tasche gewirtschaftet, anstatt zum Wohle des Volkes zu regieren, daß den Monarchen nach ihrer eigenen Ideologie des Gottesgnadentums anvertraut wurde. Sie verloren den Kopf, weil sie ihrer Verantwortung nicht nachkamen.

Und wenn das Volk der Verantwortung nicht nachkommt, sich um sich selbst zu kümmern?

Mir kommt es momentan so vor, als teile sich das Volk in die Gewinner und die Verlerer des aktuellen Systems. Für die Gewinner läuft es gut. Sie sind in der Lage, auf sich aufzupassen, sich zu informieren, Vorsorge zu treffen etc. Aber nicht alle Menschen sind gleich.

Manche Menschen sind nicht in der Lage, in diesem Maße Eigenverantwortung zu übernehmen. Manche Menschen scheitern daran. Manche haben auch nur Pech, kaufen Telekom-Aktien, weil das alle tun und bleiben auf einem Scherbenhaufen sitzen.

Manche mißverstehen die Demokratie so, daß sie meinen, sie hätten selbst Freiheiten und seien für sich selbst auch nur verantwortlich. Dem ist IMHO nicht so. Man hat Verantwortung immer für das Ganze, und wird man ihr nicht gerecht, wird man zur Rechenschaft gezogen – so wie die Adeligen im Frankreich des ausgehenden 18. Jhd.

Mein Religionslehrer machte immer eine Unterscheidung zwischen Wörtern auf -tät und auf -ismus. Demnach wäre Liberalität in Ordnung, Liberalismus, wie alle -ismen, ein großes Problem. Denn der Liberalismus unterdrückt, so gesehen bestimmte Menschen, so wie es der Kommunismus tut und wie es alle anderen -ismen tun.

Die Unterdrückten und Übervorteilten im Liberalismus sind diejenigen, die den Märkten nicht gewachsen sind. Die nicht zum Spitzenprodukt taugen. Die hinten runter fallen und sehen müssen, wo sie bleiben. Sicher: Jeder ist für sein eigenes Glück verantwortlich. Aber das ist ja gerade das Problem: Weil nicht jeder sein Glück garantieren kann.

Diese Menschen brauchen Hilfe, um ihr Glück zu erreichen. Und findige Menschenfeinde und Egoisten nutzen das aus, und bieten einfache Lösungen. Wenn ich keinen anderen Ausweg mehr sehe, wenn ich irgendwann meine, nur durch rechte Gewalt zu meinem Stück Glück zu kommen, dann mach ich da irgendwann mit.

Zum Glück geht es vielen Deutschen noch relativ gut, zum Glück war die Aufarbeitung der NS Zeit so erfolgreich, daß es sich immer noch um relativ wenige Leute handelt – im Gegensatz zum Rest in Europa.

Aber das wird nicht ewig so bleiben. Wir müssen Wege finden, die Abgehängten vom Joch des Liberalismus zu befreien. Nicht, indem wir zurück wollen zu König und Absolutismus (noch so ein -ismus), sondern indem wir uns überlegen, wie wir es schaffen, daß diejenigen, die nicht in der Art für sich sorgen können, wie andere, trotzdem etwas vom Leben haben.

In vielen Fällen handelt es sich um durchaus leistungsbereite Menschen, die ihren Beitrag bringen wollen.

Ich sehe im Moment noch nicht ganz, wie diese Wege aussehen könnten. Vielleicht kann ein bedingungsloses Grundeinkommen eine Rolle spielen. Oder ein Höchsteinkommen.

Damit werden wir den Faschismus nicht lsowerden können. Manche sind so verblendet, daß man ihnen nicht helfen kann. Aber man wird die Motivation größerer Bevölkerungsteile mindern können, faschistische Ideen als Alternativen zu erwägen.


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